Chronik

Auszug aus der Festschrift "100 Jahre TSV Kalkobes 1909 e.V.":

Der Stadtteil Kalkobes war bis zum 1. Juli 1918 eine selbstständige Gemeinde und wird als solche bereits in den Urkunden der Jahre 1180 bis 1200 erwähnt. Immer aber lebten seine Bewohner im Schatten der sich mehr und mehr aufwärts entwickelnden Stadt Hersfeld. Aller Grundbesitz rings um die Gemeinde gehörte entweder dem Stift oder der Stadt. Die kleine Gemeinde war nicht mit Glücksgütern gesegnet, und die Bewohner mussten schon immer schwer um den Lebensunterhalt ringen. Die Landwirtschaften waren klein. Es gab nur die wenigen kleinen Handwerker, die man in einem Dorf findet. Die meisten Menschen arbeiteten als Handwerker oder in den Fabriken der Stadt, die jungen Mädchen verdingten sich als Dienstboten oder später gingen sie auch in die größer werdenden Fabrikbetriebe von Hersfeld. Es gab noch keinen Acht-Stunden-Tag und keine Achtunddreißig-Stunden-Woche. Die Arbeit begann früh um sechs Uhr und endete abends spät um achtzehn oder neunzehn Uhr. Danach mussten aber zuhause weitere Stunden gearbeitet werden; sei es auf dem kleinen Acker, im Stall oder bei einem Bauern. Die Ansprüche an das Leben waren bescheiden. Strom und Wasserleitungen gab es noch nicht. Auch Radio und Fernsehen gab es noch nicht.

Jede Zeit hat ihre Licht- und Schattenseiten. Man lebte bescheidener, aber auch ruhiger. Für uns heute ist es schwer, sich in diese Zeit zurückzuversetzen. Eines steht fest: das Dorfleben war viel selbstständiger. Es war mehr Zusammenhalt unter der Bevölkerung und trotz der Bescheidenheit, in der man leben musste, entwickelte sich das Bestreben, nicht zu versauern, nicht von der Welt abgeschlossen zu sein und dafür zu sorgen, dass dem Leben in der Gemeinde neue Impulse zugeführt wurden.

Am 03. Juli 1909 fanden sich daher einige Männer und Burschen zusammen und gründeten eine Gemeinschaft, nämlich den Turnverein Kalkobes. Das Ziel der Vereinsgründer war hoch gesteckt und es hieß Gesunderhaltung von Körper und Geist, Pflege der Kameradschaft und Überwindung des damals herrschenden Standesdünkels.

Von den Gründern verweilt heute keiner mehr unter uns. Schon kurze Zeit nach der Gründung meldete das Protokollbuch die Aufnahme des 50. Mitgliedes. Diese kleine Schar wagte es schon bald, Turngeräte – Reck, Barren, Pferd usw.  – i, Werte von 400 Mark zu kaufen. Dies war eine enorm hohe Summe in der damaligen Zeit. Der damalige Turnwart – unser späterer Ehrenvorsitzender Jacob Heußner – schickte Mitglieder zu Lehrgängen und 20 Turner zu Wettkämpfen. So zeigte es sich, dass von Anfang an rege gearbeitet wurde.

Wir alle, die den Sport kennen, wissen, dass Leistungen nicht von allein kommen. Es heißt üben und nochmals üben. Das hatte man in der damaligen Zeit wirklich getan, denn bald waren die Turner von Kalkobes auf Turnfesten zu sehen und kehrten als Sieger aus manchen Wettkampf heim. Sogar eine Musterriege stellte man nach einem Jahr anlässlich eines Turnwettkampfes in Bebra. Im Jahr 1911 wurde die Vereinsfahne gekauft. Wieder waren 400 Mark aufgebracht worden. Ein Zeichen der Opferbereitschaft und des Einsatzes der Vereinsmitglieder.

Die vorgesehene Weihe der Vereinsfahne – ein Turnfest sollte es sein – wurde von dem damaligen Landrat aus bis heute noch unbekannten Gründen verboten. Die Weihe wurde dann beim Jubiläum des Turnvereines Hersfeld vorgenommen. Die Vereinsfahne gilt als Symbol der Zusammengehörigkeit und der Kameradschaft. Die Fahne trägt die Worte „ Vereinter Kraft gar oft gelingt, was einer nicht zustande bringt“. Diese Losung haben sich die damaligen Vereinsmitglieder bestimmt tief ins Herz geschrieben.

Diese Losung sollte auch heutzutage noch Gültigkeit haben.

Die Aufwärtsentwicklung beim Turnverein Kalkobes war trotz verschiedener Hindernisse stetig; auch die Gründung eines zweiten Vereines, der jedoch sehr schnell wieder verschwand, gab dem alten Verein und seinen Mitgliedern einen neuen Auftrieb. Selbst die, wie man damals so schön sagte, Obrigkeit schien den Turnverein jetzt anzuerkennen, denn am 20.06.1914 zeigte das Kassenbuch eine Einnahme von 20 Mark als Spende der Gemeinde Kalkobes.

Die Gemeinschaft genoss durch ihr Auftreten immer mehr Ansehen und ihre Mitglieder wurden als faire Wettkämpfer und Turner geachtet und als Kameraden geschätzt.

Am 20. Januar 1914 zeigt das Protokollbuch folgenden Eintrag:

„Es wurde einstimmig beschlossen, am 09. August 1914 ein Turnfest abzuhalten. Die Vorarbeiten sollen in den nächsten Tagen beginnen.“

Eingeladen wurden 27 Vereine. Aber am 09. August hatte schon das große Völkermorden begonnen. Das nächste Protokoll wurde erst wieder am 8. Februar 1919 geschrieben.

Am 1. Weltkrieg nahmen 64 Mitglieder des Turnvereines Hersfeld teil.

Jacob Heußner war es, der 1919 dafür sorgte, dass der Verein wieder auflebte. Er und die damaligen Vorstandsmitglieder verstanden es, den Verein zu einer ungeahnten Blütezeit zu führen. Schon 1920 pachtete der Verein einen Sportplatz, musste aber der Bautätigkeit kurze Zeit später weichen.

Von Anfang an war es verpönt, Politik in den Verein zu bringen. Dadurch scheint es oft Schwierigkeiten gegeben zu haben. Ein Fußballverein bildete sich aus abtrünnigen jungen Menschen. Aber auch dieser Verein bestand nur kurze Zeit.

Jacob Heußner und nachher Hans Krause, der auch dem Vorstand des Turngaues angehörte, leiteten den Verein zur großen Zufriedenheit aller. Gemeinsam mit dem Gesangverein wurden Wanderungen unternommen, so. u.a. nach dem Landecker, zum Ochsten bei Vacha, nach Kirchheim usw. Allerorts, wo Sport getrieben wurde, bei Waldläufen, Staffeln, bei Turn- und Sportfesten wurde die Fahne des Turnvereins Kalkobes den Wettkämpfen vorangetragen.

Im Jahr 1924 wurde eine Damenabteilung gegründet, die schnell wuchs und bald zu den erfolgreichsten des ganzen Turngaus zählte.

Den Höhepunkt des Vereinslebens und des Schaffens seiner Mitglieder darf man wohl das Jahr 1926 nennen. Im Sommer bekam der Verein ein großer Turn- und Sportfest übertragen. Alle Häuser des Dorfes waren mit Fahnen und Girlanden geschmückt, ebenfalls ringsum die Wiese der Gaststätte Otto, der Festplatz. In freiwilliger Arbeit wurde Tag und Nacht an der Ausgestaltung des Festes gearbeitet. Jedes Haus hatte Einquartierung. Der Erfolg blieb nicht aus und man erinnerte sich noch lange Zeit an diese gelungene Veranstaltung.

Auch finanziell war das Fest ein Erfolg. Mit dem Überschuss wurde das Gelände des heutigen alten Sportplatzes erworben. Ohne Unterstützung von anderer Seite! Der Verein konnte hierauf stolz sein, war er weit und breit doch der einzige Verein, der einen Sportplatz als sein Eigentum bezeichnen konnte. Es dauerte zwar noch eine Weile bis zur Benutzung des Platzes. Denn es war noch manche Schaufel Erde und mancher Karren zu bewegen, um das Gelände als Sportplatz nutzen zu können. In dieser Zeit erinnerte man sich wohl auch wieder an den Fußballsport, denn im Jahr 1930 wurde die Fußballabteilung gegründet. Die Gründung war mit der Auflage verbunden, dass nur diejenigen Sportler Fußball spielen durften, die auch aktiv am Turnbetrieb teilnahmen.

Ab dem Jahr 1933 trat leider in der Aufwärtsentwicklung des Vereines durch die hinlänglich bekannten negativen politischen Verhältnisse eine Stockung ein. Immer weniger Mitglieder fanden den Weg in den Turnsaal oder auf den Sportplatz.

Im Jahr 1937 schloss sich die Schießabteilung, die bis dahin einen selbstständiger Verein war, uns an.

Im Jahr 1939 war das 30-jährige-Jubiläum in größerem Rahmen geplant. Es gelang nur, einige vereinsinterne Wettkämpfe zu organisieren. Während auf dem Sportplatz diese Wettkämpfe stattfanden, rollten auf der Landstraße unübersehbare Wagenkolonnen vorüber. Der 2. Weltkrieg hatte begonnen.

Es wurde versucht, das Vereinsleben so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Die Jungen spielten Fußball, die Mädchen turnten und trieben Gymnastik. Den Rahmen dieses Sportbetriebes bildeten die politischen Verhältnisse. Es ist vorgekommen, dass die Jungen vom Sportplatz weggeholt wurden, um in der HJ Dienst zu tun.

Viele Vereinskameraden mussten in den Krieg. Das Vereinsleben erlosch nach und nach.

Nachdem sich die ersten Kameraden nach Kriegsende wieder in der Heimat zusammengefunden hatten, wurde die Arbeit im Verein wieder aufgenommen. Man gab dem Verein den jetzigen Namen. Im Fußball war unsere Mannschaft maßgebend im Kreis. Unsere Damenmannschaft turnte und trieb Gymnastik, eine Schülerriege bildete sich und bald schien es, als sollte alles wieder zum Besten werden. Der Sportplatz wurde endgültig fertiggestellt. Zuschuss hierfür gab es nur in ganz geringem Maß, sodass wir noch heute auf die Leistung der damaligen Mitglieder stolz sein können.

Die Wunden des Krieges schienen sich, soweit sie den Verein betrafen, langsam zu schließen. Da bekamen wir den schwersten Schlag in der Vereinsgeschichte. Der seit Bestehen benutzte Saal wurde anderen Zwecken zugeführt und den Turnern damit die Möglichkeit genommen, ihrem Sport weiter nachzugehen. Die Kinder unserer Mitglieder gingen, soweit sie sich für Sport und Gymnastik interessierten, nach Hersfeld.

In dieser Zeit wurde auf dem Sportplatz mit äußerst bescheiden Mitteln ein kleines Haus errichtet, um wenigstens die Turngeräte unterstellen zu können. Aber auch dies konnte nicht den Untergang der Turnabteilung aufhalten.

Unsere Fußballabteilung war danach noch alles, was blieb. Und diese Abteilung machte den Verein in den 50er Jahren wieder populär. Spitzenplätze in der damaligen A-Klasse, die der heutigen Kreisoberliga entsprach, waren an der Tagesordnung. Zahlreiche Herbstmeisterschaften reichten zum Schluss jedoch nicht aus, um das Ziel eines Aufstieges zu schaffen. So kam es, dass einige gute Spieler den Verein verließen und somit ein Abstieg erfolgte.

Der im Jahr 1967 neu gewählte Vorstand unter Horst Sauerwein versuchte einen Neuaufbau. Hauptaugenmerk wurde auf eine intensive Nachwuchsarbeit gerichtet. Erstmals konnte der Fußballbetrieb in den 70er Jahren derart ausgeweitet werden, dass Schülermannschaften von der E- bis zur A-Jugend auf das Feld geschickt wurden. Zur Verbesserung der Trainingsverhältnisse wurde die alte Flutlichtanlage mit Hilfe der Stadt Bad Hersfeld ersetzt. Nun war auch ein Trainingsbetrieb auf dem gesamten Sportplatz in den Wintermonaten möglich. Darüber hinaus kam uns der Bau der neuen Turnhalle der Geistalschule sehr entgegen. Gerade bei schlechten Witterungs- und Bodenverhältnissen konnten hier die Übungsstunden unter optimalen Bedingungen abgehalten werden.

Mehr und mehr wurde deutlich, dass die Umkleidemöglichkeiten am Sportplatz nicht mehr ausreichten bzw. nicht mehr den Anforderungen genügten. Toiletten und Duschmöglichkeiten fehlten gänzlich. Am Sonntag mussten sich vier Mannschaften zu gleicher Zeit in einem Raum umziehen. Hinzu kam noch, dass sämtliche Geräte des Vereines in diesem Raum aufbewahrt wurden. Hier muss den städtischen Gremien Dank gesagt werden, dass ein den damaligen Verhältnissen entsprechendes Umkleidehaus mit Duschen, Toiletten, Umkleide- und Schiedsrichterraum gebaut wurde.

Auch auf eine Erweiterung des sportlichen Angebotes wurde Wert gelegt. Nach Gründung der Damen-Gymnastikabteilung schlossen sich über 100 weibliche Mitglieder unserem Verein an. Darüber hinaus wurde eine Tischtennisgruppe ins Leben gerufen.

Durch den umfangreichen Spiel- und Trainingsbetrieb blieb der gänzlich veraltete und zu kleine Sportplatz nicht unverschont. Nach jedem Winter konnte er wochenlang nicht bespielt werden. Unzählige Ausbesserungs- und Drainagearbeiten waren erforderlich.

Der Verein kann sich in dieser Phase glücklich schätzen, dass die Kreisstadt Bad Hersfeld diese Misere erkannte und ein offenes Ohr für den Bau eines neuen Sportplatzes hatte. Seit der Fertigstellung dieser schönen Anlage im Jahr 1981 konnte nunmehr ungehindert ein geordneter Spielbetrieb ablaufen. Dadurch blieben in dieser Zeit die sportlichen Erfolge auch nicht aus.

Im Jahre 1980 blickte man auf ein halbes Jahrhundert Fußball zurück. Der Festkommers mit zahlreichen Ehrungen wurde im neuen Dorfgemeinschaftshaus der ehemaligen Schule „Am Berg“ abgehalten.

Neue Perspektiven brachte 1983 die Gründung der Tennisabteilung. Eigenfinanzierung und die Darlehensaufnahme durch diese Abteilung waren Vorraussetzung für die Verwirklichung dieses Projektes. Die Stadt Bad Hersfeld stellte das Gelände der ehemaligen Gärtnerei Herbst zur Verfügung, sodass im Jahr 1984 zwei Tennisplätze dem Spielbetrieb übergeben werden konnten. Aufgrund des großen Nachfragebooms für Tennis erfolgte noch der Bau des 3. Tennisplatzes. Durch diese Abteilung hat das sportliche Angebot des TSV Kalkobes eine weitere Bereicherung erfahren.

Durch die Neugründung der Tennisabteilung reichte das bisherige Sportlerheim am alten Sportplatz nicht mehr aus. Es galt hier durch eine Neukonzeption Abhilfe zu schaffen.

Durch die finanzielle Mithilfe der Kreisstadt Bad Hersfeld wurde daher in den Jahren 1986 bis 1991 das neue Sportlerheim errichtet. An den Gesamtkosten von ca. 250.000,-- DM beteiligte sich die Stadt Bad Hersfeld allein mit knapp 140.000,-- DM. Die übrigen Zuschussgeber waren der Landkreis Hersfeld-Rotenburg, das Land Hessen und der Hessische Fußballverband.

Nachdem die Fußballer das neue Sportlerheim bezogen hatten, konnte die Tennisabteilung das alte Sportlerheim im Rahmen der baulichen Möglichkeiten nach ihren Wünschen herrichten.

Nicht vergessen seien in diesem Zusammenhang eine Vielzahl von Mitgliedern des TSV Kalkobes, die in unzähligen freiwilligen Arbeitsstunden beide Sportlerheime in Eigenleistung errichtet haben.

Mit dem Beitritt der Badmintonabteilung hat sich das sportliche Angebot im TSV Kalkobes um eine interessante Sportart erweitert.

Sportlich erlebte die Fußballabteilung des TSV Kalkobes durch den Aufstieg in die A-Klasse bis zum Abstieg in die C-Klasse fußballerische Höhen und Tiefen.

Die letzten Jahre der Vereinsgeschichte sind daher geprägt durch eine Neuorientierung in der Jugendarbeit. Nach dem Versuch mit einer Jugendspielgemeinschaft hat man sich in der Fußballabteilung entschieden, in der Jugendarbeit den Weg alleine zu gehen und damit mittel- bis langfristig Perspektiven für den Seniorenbereich zu schaffen. Der Verein ist in der Jugend bis auf die Jahrgänge der A- und B-Junioren bestens aufgestellt und die erfolgreich begonnene Arbeit mit der Jugend ist als Investition in die Zukunft unbedingt fortzusetzen. Ganz im Sinne des Paragraphen 1 unserer Satzung, der wie folgt lautet:

„1. Der Turn- und Sportverein dient auf der Grundlage des Amateurgedankens und der Gemeinnützigkeit unmittelbar und ausschließlich der körperlichen Ertüchtigung seiner Mitglieder durch Leibesübungen. Er will insbesondere seine Mitglieder
a) durch Pflege des Sports nach dem Grundsatz der Freiwilligkeit unter Ausschluss von parteipolitischen, konfessionellen, beruflichen und rassischen Gesichtspunkten körperlich und sittlich kräftigen,
b) durch die Pflege der Kameradschaft und Freundschaft miteinander verbinden,
c) über die freiwillige Unterordnung unter die Gesetze des Sports auf breitester volkstümlicher Grundlage zu einer Gemeinschaft für die Erhaltung und Hebung der Volksgesundheit zusammenführen. Der Jugend soll dabei in ganz besonderem Maße eine sorgfältige körperliche und geistig-sittliche Erziehung zuteil werden.“

Wir schließen diese Chronik mit der Feststellung für die Zukunft, dass wenige Idealisten nicht ausreichen, um als Fundament eines Vereines zu dienen.

Wenn ein Verein seine Sache ernst nehmen will, dann geht das nur, wenn die Sache von allen mitgetragen wird.